
Rein rechtlich sieht das Ganze so aus:
In § 107 Absatz 3 der Gewerbeordnung ist geregelt, dass die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts nicht für den Fall ausgeschlossen werden kann, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Mit anderen Worten: Das Trinkgeld darf nicht mit dem Arbeitslohn verrechnet oder darauf angerechnet werden. Weiter heißt es in der Norm, dass das Trinkgeld ein Geldbetrag ist, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Steuerrechtlich wird das Trinkgeld daher auch als freiwillige Zahlung von Dritten an einen Arbeitnehmer definiert, der diesen Betrag anlässlich einer Arbeitsleistung erhält ohne dass ein Rechtsanspruch darauf besteht, § 3 Nr. 51 EStG. Daher ist es steuerfrei.
Trinkgeld ist eine Schenkung des Kunden an den Arbeitnehmer
Vor diesem Hintergrund haben die Mainzer Richter Ende 2010 entschieden, dass das Trinkgeld dem Arbeitnehmer gehört, dem es zugewandt wurde, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 09.12.2010 – 10 Sa 483/10. Es steht nämlich schon nach der gesetzlichen Definition des § 107 Abs. 3 S. 2 GewO dem Arbeitnehmer zu, der es erhalten hat. Die Leistung des Gastes an den Arbeitnehmer persönlich erfolgt zwar in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, allerdings fällt sie nicht in seine Sphäre, sodass es nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO unterliegt, wie mit dem Trinkgeld verfahren wird. Der Arbeitgeber ist folglich gar nicht berechtigt die Abgabe des Trinkgeldes zu fordern, um dieses selbst zu behalten oder unter allen Mitarbeitern gerecht aufzuteilen. Er hat schlicht gesagt gar keinen Zugriff auf diese höchstpersönliche Leistung des Gastes an seine Mitarbeiter. Dem Arbeitgeber ist es im Übrigen auch nicht gestattet eine anderslautende Regelung im Arbeitsvertrag aufzunehmen, mit der sich der Arbeitnehmer zur Herausgabe der Trinkgelder verpflichtet.
Da es sich bei dem Trinkgeld nicht um Lohn oder Ersatzlohn handelt, ist auch eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn unzulässig. Das LAG Mainz hat in seiner Entscheidung dazu ausgeführt, dass Trinkgelder arbeitsrechtlich betrachtet nicht zum Arbeitsentgelt gehören, weil sie als persönliche Zuwendung aus einer bestimmten Motivationslage freiwillig von Dritten erbracht werden. Daraus folgt natürlich auch, dass während der Urlaubszeit oder der Arbeitsunfähigkeit kein Trinkgeld fortgezahlt werden kann, BAG Urteil vom 28.06.1995, 7 AZR 1001/94. Der Arbeitnehmer, der ein Trinkgeld erhält, steht damit, rein rechtlich betrachtet, in zwei Leistungsbeziehungen. Nämlich einerseits mit seinem Arbeitgeber und andererseits mit dem Kunden bzw. dem Gast. Vom Arbeitgeber erhält er den vereinbarten Arbeitslohn gemäß Vertrag und das Trinkgeld als Schenkung vom Kunden für seine tatsächlich erbrachten Dienste.
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen bargeldlos zahlen und das Trinkgeld nicht einfach auf einem Tellerchen auf dem Tisch liegen gelassen wird, stellt sich weiter die Frage, wie mit Beträgen verfahren wird, die dem Arbeitnehmer per Kartenzahlung oder Rechnung zugesprochen werden. Wie kommt der Arbeitnehmer an dieses Trinkgeld? Solange eine Bargeldkasse vorhanden ist, könnte man theoretisch verrechnen, aber wenn eine Servicekraft zum Beispiel den ganzen Abend eine Exklusiv-Veranstaltung betreut und der Gastgeber auf die Gesamtrechnung 200,00 € für 5 Servicekräfte auf die Rechnung aufschlägt, dann ist der Arbeitgeber aus seiner Treue- und Fürsorgepflicht den Arbeitnehmern gegenüber dazu verpflichtet, diesen das zweckbestimmte Geld auch auszuzahlen. Dahingehend steht den begünstigten Arbeitnehmern nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen, 1 Ca 1603/13, sogar ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu. Gerade in der Gastronomie und in Betrieben mit differenzierten Serviceleistungen kann es Trinkgeldzahlungen an eine Gruppe geben, insbesondere dann, wenn die Bestellung bei Kraft A aufgegeben wird, Keller B die Getränke bringt und Person C das Essen serviert bevor Kassierer D die Rechnung bringt. In diesem Fall kann nämlich gerade nicht angenommen werden, dass die freiwillige Leistung allein dem Kassierer zusteht. Hier ist es dann rechtens und angemessen eine interne Regelung hinsichtlich der Aufteilung des Geldes unter den Beteiligen, mit Ausnahme des Arbeitgebers, zu treffen.
Auch bei der Einstufung von Toilettengeld handelt es sich nicht um eine Gegenleistung für die Bereitstellung einer Notdurftseinrichtung, sondern schlicht um Trinkgeld für diejenigen, die diese rein halten. Es handelt sich um eine einfache Schenkung, die durch schlüssiges Verhalten vollzogen wird und keiner besonderen Form bedarf. Selbst wenn also niemand hinter dem Toilettentellerchen sitzt, um sich für das auf den Teller gelegte „Klimpergeld“ zu bedanken, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass der freiwillig auf den Teller gelegte Betrag eine Anerkennung in Geld an all diejenigen Personen darstellt, die sich um die Reinigung der Toilettenanlage an diesem Tage kümmern.
Zusammenfassend steht somit fest, dass das Trinkgeld stets dem Arbeitnehmer oder einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern zukommen soll, die an der Zufriedenheit des Kunden wesentlich beteiligt waren, und nicht dem Arbeitgeber. Dieser darf auch nicht regeln, in welchem prozentualen Verhältnis das Trinkgeld unter seinen Mitarbeitern aufzuteilen ist oder wie diese ihr Trinkgeld zu verwenden haben. Ohne konkrete Bestimmung seitens des Geldgebers, sind Geldbeträge, die beim Arbeitgeber bargeldlos als Trinkgeld eingehen, an die jeweils beteiligten Mitarbeiter vollständig auszukehren. Auch das sog. Tronc-Geld einer Spielbank darf nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Beschaffung von Büromaterial für den Betriebsrat verwendet werden.
Schließlich stellt sich die Frage, wie viel Trinkgeld angemessen ist. Da es in Deutschland eine freiwillige Leistung ist, muss grds. gar kein Trinkgeld gegeben werden. Der Trinkgeld-Knigge sieht aber durchaus 5-10% der Rechnungshöhe vor.